Sommerlich-satte, lichtdurchflutete Parklandschaften mit müßigen Menschen, Urlauber am erquickenden Wasser, in Garten sitzend zwischen Sonnenflecken, vor allem aber immer wieder Obstkörbe und Blumen, in Sträußen und Rabatten – das sind die fast wie aus dem späten 19. Jahrhundert kommenden Themen der Malerei von Jürgen Schmiedekampf. Damit hat er sich paradoxerweise wieder ein Stück der Realität angenähert. Die früher in seinen Bildern eingebauten optischen Brüche scheinen verschwunden. Das Reale, der Augenbefund wird nicht mehr relativiert durch eingeschriebene Abstraktionsmuster. Das Sinnliche der Malerei wird nicht mehr domestiziert durch gelehrsame Anspielungen auf den Gang der Kunst- und Malereigeschichte.

Schmiedekampf lebt das Malerische wieder voll aus.

Dabei verleugnen seine rotbackigen Apfel ihre Herkunft von Cezanne nicht, und seine deftigen Weintrauben stellen sich geradezu demonstrativ in die großen Traditionen der niederländischen Stilllebenmalerei des Goldenen Zeitalters. Doch dieses Schwelgen in der Delikatesse der Früchte, Materialien und Zutaten, im Glanz der Tafelfreuden zitiert – und überschreitet damit zugleich – seine Vorbilder: Jürgen Schmiedekampf liefert mehr als gemalte Verweise auf Velazquez und Delacroix, Corinth und Kokoschka. Er schaut zuruck, ohne sich epigonal zuruckzusehnen, er zitiert, paraphrasiert freimutig, ohne freilich zu kopieren. Denn es geht ihm sichtlich in erster Linie darum, auf seine Weise Farbe auf der Bildfläche zu bewegen, ohne stilistische Verrenkungen und Anverwandlungen wird positioniert, differenziert, gesetzt, kurz: komponiert.

Ich male, also bin ich.

Wenn Schmiedekampf dabei Gaumenfreuden ins Bild rückt, so sind Essen und Trinken nur indirekt gemeint. Er wendet sich an eine geringfügig andere Sorte von Gourmets. Seine Zielgruppe sind die Freunde der Malerei. Wer heute, im Zeitalter der elektronischen Medien, der computergenerierten Bilder, noch (oder wieder?) ostentativ zum Pinsel greift, sollte das eigentlich nicht mehr begründen müssen Das Malen, also die hand-werkliche Produktion stillstehender, nicht wegflimmernder Bilder ist so offensichtlich zu einer historischen Äußerungsform geworden, dass dies im Malakt selbst nicht mehr eigens erörtert zu werden braucht. Wer heute malt, feiert nicht mehr irgendeine Tradition, der hütet nicht irgend etwas Akademisches oder verteidigt ein bedrohtes Kulturgut. Und so ist Schmiedekampfs Programm sehr einfach, sehr direkt: Gefeiert wird die Malerei selbst, der tätige Umgang mit dem schönen Material Farbe als Ansprache der menschlichen Sinne als Spiel mit den Assoziationen und Synasthesien – das nennt man im Volksmund Augenschmaus.

Die Malerei sei „dem Auge ein Fest“

notierte Eugene Delacroix vor zweihundert Jahren am Ende seines Lebens in sein Tagebuch. Damit ebnete er nicht nur Malern wie Courbet und Manet sondern auch den Impressionisten und Expressionisten, ja der gesamten Moderne den Weg. Das Malen als Fest fürs Auge – das ist auch die Devise von Schmiedekampf. Er scheint mit jedem Bild befreiter ein- und auszuatmen. Hier bin ich Maler, hier darf ich’s sein. Ähnlich wie der deutsche Morandi-Schüler Klaus Fußmann scheut er sich auch nicht vor angeblichem Kitsch. Blühende Blumen und lachende Apfelbacken. roter Hummer und blaue Trauben – was ist dagegen einzuwenden?

Wenn es mit Liebe und Delikatesse, handwerklich gekonnt, dabei nicht oberflächlich-virtuos, aber auch nicht ängstlich buchstabierend sondern frei heraus gegeben ist. Genau so direkt spricht Schmiedekampf den Betrachter an. Die sichtbaren Dinge, die Welten der Stillleben, das Greifbare, Berührbare dient ihm beim freien Malen als sachliche Versicherung, als Rückbindung an das Leben selbst. Dies gilt ebenso für seine mit Licht und Wärme getrankten Landschaften, seine Parks und Sommerfrische-Bilder wie auch fur seine Figuren- und Aktbildnisse.

Die Kunst der Moderne hat – im Zeitalter der Kernspaltung und der Relativitatstheorie – mit geholfen, das alte Newtonsche Weltbild zu zertrümmern, sie stieß – zunächst mit der Erfindung der Abstraktion und später der Konkretion – in Bereiche des vorher Unsichtbaren vor. Doch bei aller Hochachtung vor den Errungenschaften dieser- im übrigen recht müde gewordenen – Moderne gibt es heute keinerlei Bilderverbot herrschender – Ismen mehr. Die Kunst ist freier denn je, aber auch unübersichtlicher. Schmiedekampf weiß dies. Er ist kein naiver Maler. Hinter seinen Bildern steht nicht zuletzt auch die melancholische Einsicht des Schriftstellers Robert Walser, der schon zu Anfang dieses Jahrhunderts bemerkte, dass eigentlich jeder Gedanke schon gedacht, jede Zeile schon geschrieben sei. Dennoch ist die Lust zu dichten ebenso wenig vergangen wie die zu malen. Jurgen Schmiedekampf würde, auch wenn morgen die Welt unterginge, heute noch ein Bild malen.

Rainer B. Schossig